Zum Hauptinhalt springen
Suchformular

Aktuelles

Auf den Kopf gestellt

Viele junge Menschen verdanken Sr. Justina viel, dafür dankten sie ihr mit einem Fest.

Sr. Justina hat viele Lebenswege mit begleitet.

Sr. Justina wird oft zu Familienfeiern eingeladen. Sie bringt immer die Freude und die Liebe Gottes mit.

Sie hat viele Freunde und Freundinnen auch und gerade unter jungen Menschen in Südafrika, unter Flüchtlingen, die von Krieg, Katastrophen und unmenschlichen Zuständen in ihrer jeweiligen Gesellschaft kreuz und quer über den afrikanischen Kontinent gejagt werden, Gestrandeten, Hilflosen, die sich nach Orientierung und Neuanfang sehnen. Schwester Justina Priess OP kann zahlreiche bewegende Geschichten erzählen, die das Leben ihr im Zusammentreffen mit solchen Menschen geschenkt hat. Im Folgenden bringen wir eine davon.

Sr. Justina: "Meine Lieblingsmenschen nennen mich Omi"

Da die Menschen, auf die Schwester Justina trifft, durchaus gefährdet sind, sollen sie geschützt bleiben, die Namen sind geändert, auch die Bilder zeigen andere Personen zusammen mit Schwester Justina. Lassen wir sie zu Wort kommen: „Vor mir auf dem Bücherregal steht ein Kaffeebecher mit der Aufschrift: ,Meine Lieblingsmenschen nennen mich Omi.‘ Ich habe ihn von Bisho vor Jahren zum Geburtstag geschenkt bekommen, von einem 12-jährigen Kind aus dem Kongo, das ohne jegliche Verwandten durch sehr unglück- selige Erfahrungen hindurch in unserem Heim für geflüchtete Menschen (Bienvenu-Shelter, Anm. d. Red.) in Johannesburg angekommen war. Eigentlich sollte sie tot sein, denn als kleines Mädchen von einem Teil der Verwandtschaft als „Hexenkind“ identifiziert, war man fest entschlossen, sie zu lynchen, aber sie konnte noch rechtzeitig entkommen. Mit viel Fleiß und größter Dankbarkeit ihren deutschen Sponsoren gegenüber hat Bisho an der Dominikanerschule in Johannesburg ihre Schulausbildung bekommen und ein gutes Abitur geschrieben. Darauf machte sie eine dreijährige Universitätsausbildung, Hauptfach Betriebswirtschaft und Personalmanagement, und hat die ganzen drei Jahre überzeugt davon erzählt, wie sie nach einem kurzen Praktikum in ihr Heimatland zurückkehren und dort ihre eigene Firma gründen wird. „Nirgends werde ich für einen Job Schlange stehen und mich trotz allem auf den letzten Platz verbannen lassen, nur weil ich hier Ausländerin bin.“

Eine junge Afrikanerin mit Zukunft

Bisho war für mich die junge Afrikanerin mit Zukunft. Ein gesundes Selbstbewusstsein, eine angemessene Schulerziehung und Weiterbildung, die Bereitschaft zum engagierten Neu-Anfang, alles hat gestimmt. Und dann kam, als sie 24 Jahre alt war, das Angebot  eines passenden 29-jährigen Landsmannes, den sie bereits einige Zeit gekannt hatte, sie könnten sich doch gut ein gemeinsames Leben mit einer eigenen kleinen Familie vorstellen.

Gesagt, getan. In mehreren offenen Gesprächen, an denen sowohl ein erfahrenes Ehepaar aus ihrem eigenen Kulturkreis wie auch die geliebte Omi-Schwester  teilnahmen, wurden praktisch alle Themen beleuchtet, die zu einem solchen Zeitpunkt wichtig schienen, einschließlich der Hoffnung, ihre eigene Familie zu gründen, ,mit drei oder vier Kindern und einem Papi, der immer lieb zu uns ist‘.  ,Aber‘, haben beide betont, ,das hat noch Zeit; wir sind ja noch jung.‘

"Mädchen fördern, afrikanische Frauen heranbilden, aufklären, die Zukunft Afrikas in bessere Bahnen lenken."

Zu etwa der gleichen Zeit beschäftigte mich ein Artikel aus der Mainzer Kirchenzeitung, September 2019, in dem Bevölkerungsforscher und Journalist  Reiner Kleinholz recht überzeugend seine Theorien ausgebreitet hatte, die ich trotz meiner christkatholischen Vorerziehung eigentlich ganz gut nachvollziehen konnte: Wenn afrikanischen Mädchen und Frauen eine bessere Schulerziehung und genügend Weiterbildung gesichert seien, wenn sie das nötige Selbstbewusstsein hätten, Nein zu sagen, und die Zusammenhänge verstehen lernten, wäre die afrikanische Frau die erfolgreichste Siegerin im Kampf gegen Armut, hohe Kindersterblichkeit, den noch vielerorts vorherrschenden Hungertod, und die brutale Ausbeutung des Kontinents. ,Weniger Kinder kriegen heißt, mehr Kindern die Möglichkeit eines gesunden, menschenwürdigen Lebens zu sichern. Also: Mädchen fördern, afrikanische Frauen heranbilden, aufklären, die Zukunft Afrikas in bessere Bahnen lenken.‘

Dann war Ende Dezember 2019 die lebensfreudigste Hochzeitsfeier in einer Hauskirche, die für diese Gelegenheit wie besonders geschaffen schien. Was haben wir gesungen und geklatscht, getrillert und getanzt. Mit mehr als 120 jungen Menschen aus afrikanischen Ländern wollte die Freude kein Ende nehmen. In mehr als achtzig Minuten, unterbrochen von Jubel und Zurufen, wurde bibelgerecht mit viel Überzeugung vom jungen Pastor und seiner Gattin erklärt, wie Yahweh-Gott von Anfang an die Rollen von Mann und Frau bestimmt und gesegnet hatte.

„Auf dich ist Verlass“

Um es mit Friedrich Schiller zu sagen: ,Der Mann muss hinaus ins feindliche Leben, muss wirken und streben, muss pflanzen und schaffen, erlisten, erraffen. . .‘, während seine Gattin körperlich und geistig dafür ausgerüstet ist, ihm unterstützend beizustehen und ihm Kinder zu gebären. Ich schaute mich verunsichert um; bin ich bei der verkehrten Hochzeit gelandet? Nein, Braut und Bräutigam sind die mir bekannten, und ihre Gesichter glühen, als seien sie von innen her aus ewigen Feuern gespeist. Das höchste Lob, das Bisho mir einmal als Kind nach einer Elternversammlung in ihrer Schule ausgesprochen hatte, werde ich nie vergessen und es wird sich auch niemals ändern: ,Omi-Schwester, auf dich ist Verlass. Ich bin so froh, dass Du gekommen bist.‘   Etwa sieben Monate nach der Hochzeitsfeier kommt die Email-Nachricht: ,Omi-Schwester, Daniel und ich erwarten unser erstes Kind. Wir sind überglücklich, und wir möchten, dass du die erste bist, die es erfährt.‘“  

Text: Sr. Justina Priess OP