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Dominikanisches Leben - Neue Perspektive in Kist
Die Dominikanerinnen sind unterwegs auf dem Weg mit Menschen, jede von ihnen auf ihre eigene Weise. Im Januar 2023 setzten sie gemeinsam einen Schritt auf einem neuen Weg getreu dem Motto des Dominikanerordens „Loben, segnen, predigen“.
Am 9. Januar 2023 haben die Dominikanerinnen das Kloster St. Josef verlassen und sind gemeinsam in die Seniorenresidenz Kist umgesiedelt. Viele der Schwestern waren in der Pfarrei in Neustadt fest verwurzelt. Wir haben nachgefragt, wie es den Schwestern inzwischen auf ihrem neuen Weg ergeht.
„Oakford in Germany“ heißt der Prozess für die Gestaltung des Ordenslebens in neuer Umgebung
Begleitet wurde „Oakford in Germany“, wie die Dominikanerinnen den Prozess überschrieben haben, mit dem die Schwestern ihr Ordensleben in einer neuen Umgebung gestalten, von einer Dominikanerin von Bethanien, die das Mamutprojekt zusammen mit der Kongregationsleitung, den Schwestern und den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in Neustadt anging.
„Wir haben das Glück, dass wir hier auf dem Land sind und um uns herum viel Platz und Natur ist.“
„Für mich war der Umzug kein Weltuntergang“, sagt Sr. Marie-Luise. Wir hatten zwei Monate Zeit, um uns darauf vorzubereiten und unsere Sachen zu packen.“ Die Schwestern konnten sich im Vorfeld ihre Zimmer in der Seniorenresidenz ansehen. „Als ich das erste Mal mein Zimmer gesehen habe, dachte ich mir, das passt“, erzählt Sr. Marie-Luise. „Wir haben das Glück, dass wir hier auf dem Land sind und um uns herum viel Platz und Natur ist.“
„Ich fühle mich hier schon ein bisschen wie in einem Hotel“, sagt sie. „Wir werden hier ganz lieb versorgt. Aber wir helfen uns auch gegenseitig, das haben wir schon immer so gehalten und das ist ganz normal für uns.“ Morgens halten die Schwestern nun ihre Gebetsroutine allein und im eigenen Rhythmus ab. Zur Vesper treffen sich alle in ihrem Gebetsraum. Dafür haben sie ein eigenes Zimmer in der Seniorenresidenz gestalten können. Dort feiern sie ihre Gottesdienste. Einmal in der Woche kommt Pfarrvikar Frank Elsesser, der die Schwestern noch aus Neustadt kennt als er dort als Kaplan die Seelsorge versah.
Gottesdienste in der Seniorenresidenz und in der St.-Bartholomäus-Kirche in Kist
Auch können die Schwestern die Gottesdienste in der St.-Bartholomäus-Kirche in Kist besuchen. Diejenigen, die noch gut zu Fuß sind, laufen hin, andere werden mit dem Auto gefahren.
„Wir sind spirituell gut versorgt hier. Es ist anders als in Neustadt aber es ist gut hier“, sagt Sr. Marie-Luise. Besonders freut sie sich – wie alle Schwestern in Kist – auf die Besuche ehemaliger Mitarbeiterinnen, Freunde und Bekannten, die zu Geburtstagen und Jubiläen nach Kist kommen, aber auch zwischendurch mal nach „ihren Schwestern“ sehen.
„Heute tragen die Menschen vor Ort das religiöse Leben weiter.“
Für Sr. Marie-Christopher war der Umzug in die Seniorenresidenz Kist fast ein Umzug nach Hause. Sie wuchs in der Sanderau, einem Würzburger Stadtteil auf. Von daher ist ihr neues Domizil in Kist nicht weit entfernt von ihrer Kinder- und Jugendzeit. „Somit schließt sich nun für mich ein Kreis“, sagt sie.
Durch bodentiefe Fenster blickt sie heute auf Felder und einen Teil des Guttenberger Waldes, der an Kist grenzt. Das erinnert sie an Zeiten in ihrer Kindheit, in der sie in eben diesem Wald mit Freunden unterwegs war und „Räuber und Gendarm“ gespielt hat, eine schöne Erinnerung für sie.
„Ich war in meinem Ordensleben viel unterwegs und habe dabei auch gelernt, loszulassen. Deshalb war für mich der Umzug von Neustadt nach Kist nicht ganz so schwer“, sagt sie. „Früher waren wir viele Schwestern, die in unsere Kongregation eingetreten sind, doch der Missionsgedanke hat sich verändert. Heute tragen die Menschen vor Ort das religiöse Leben weiter.“
Die Kommunität hat als Ganze in der Seniorenresidenz Kist Aufnahme gefunden
Schon länger habe der Kongregation der Nachwuchs gefehlt „und die Schwestern wurden älter und gebrechlicher“, weiß Sr. Marie-Christopher. Das Kloster in Neustadt war zu groß geworden um es in Eigenregie bewirtschaften zu können. „Wir mussten handeln“, sagt sie. Auch andere Einrichtungen habe die Kongregation in den vergangenen Jahren auflösen müssen.
Dass es mit dem Umzug in die Seniorenresidenz Kist dann doch so schnell ging, daran hatten die Schwestern nicht gedacht, doch könnten sie die Entscheidung nachvollziehen und auch mittragen. Sie sind auch froh darüber, dass die Kommunität als Ganze in der Seniorenresidenz Kist Aufnahme gefunden hat.
„Wir fangen an, hier neue Wurzeln zu schlagen“
Für die Schwestern ist es ein „unterwegs sein“, etwas, dass sie als Dominikanerinnen leben. Sie sind unterwegs mit den Suchenden, stehen ein für die Leidenden, loben Gott mit den Glaubenden. Sie sind weltoffen, der Gerechtigkeit und dem Frieden verpflichtet: Sie sind unterwegs mit den Menschen.
Natürlich ist ein Umzug ein Einschnitt und besonders im Alter tut sich manche Schwester damit nicht leicht. Doch sind alle fest davon überzeugt: „Wir fangen an, hier neue Wurzeln zu schlagen“, sagt Sr. Marie-Christopher.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind aufmerksam, hilfsbereit und rücksichtsvoll
Unserer kürzlich verstorbenen Sr. Liboria ist der Umzug nach Kist sehr schwer gefallen. „Ich habe noch nicht abgeschlossen mit Neustadt, so schnell geht das für mich leider auch nicht“, sagte sie in einem Gespräch im März diesen Jahres. Das Gefühl, noch nicht so richtig in Kist angekommen zu sein, konnte sie damals noch nicht einfach so wegstreifen. „Ich habe zwischendurch noch immer furchtbares Heimweh“, gab sie zu. Das ist aber auch ganz normal.
Zusammen mit Sr. Theresita und Sr. Hilke war Sr. Liboria eine der Schwestern, die am längsten in Neustadt gelebt und gearbeitet haben. „Neustadt ist meine Heimat geworden“, sagte sie, deshalb sei ihr der Umzug auch sehr schwergefallen. „Ich bekomme viel Zuwendung von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen hier. Sie sind sehr aufmerksam, hilfsbereit und rücksichtsvoll. Der Herr hat viel Geduld mit mir“, sagte sie und sie war sich sicher, dass auch sie neue Heimat in Kist finden wird.
Schwestern kümmern sich umeinander und helfen mit im Rahmen ihrer Möglichkeiten
Sr. Angelica zog im Februar von Flörsheim nach Kist, nachdem Sr. Lucina nach einem plötzlich notwendig gewordenen Krankenhausaufenthalt und einer anschließend erfolgreichen Reha bereits mit den Schwestern am 9. Januar einzog. Beide Schwestern lebten in Flörsheim und waren dort in der Pfarrei engagiert und für beide ist es auch neu in Kist in der Gemeinschaft mit den Schwestern, die aus Neustadt kamen.
Die Gemeinschaft der Schwestern in Kist ist gemischt. Einige benötigen mehr Pflege, andere wiederum sind noch rundherum fit. „Wir sind eine gemischte Gruppe“, sagt Sr. Angelica, und genauso bringen sie sich auch in der Gemeinschaft ein. Die Schwestern kümmern sich umeinander, unterstützen sich und helfen mit im Rahmen ihrer Möglichkeiten.
Sr. Angelica spielt weiter die Orgel – zur Freude für die Schwestern und die Bewohner
Auch Kontakte zu anderen Bewohnern und Bewohnerinnen der Seniorenresidenz wurden schon geknüpft und werden vertieft. „Der Umzug hierher war die beste Lösung für unsere Kongregation“, fasst Sr. Angelica zusammen. Sie spielt weiter die Orgel, wenn auch nicht mehr in der Pfarrei, so doch zur Freude für die Schwestern und die Bewohner der Seniorenresidenz.
„Nach dem Umzug im Januar hatte ich noch eine Woche mit Heimweh zu kämpfen und mich einzufinden in das System des Hauses hier. Jetzt geht es mir gut“, sagt Sr. Theresita. Für sie war das Ende in Neustadt auch ein neuer Anfang in Kist auf den sie sich gerne eingelassen hat. „Unsere Schwestern haben in Neustadt ihre Spuren hinterlassen, wir waren dort verwurzelt, doch kommt es auf uns alle an, wie wir den neuen Anfang akzeptieren und uns einbringen.“
Alle Schwestern in der Seniorenresidenz sind auf einer Etage untergebracht
In der Nähe der Seniorenresidenz liegt eine Bushaltestelle, von dort aus kann man leicht nach Würzburg fahren und auch selbständig Arztbesuche dort absolvieren. Auch kann man mal durch die Stadt bummeln und sich mit Bekannten treffen. Alle Schwestern in der Seniorenresidenz sind auf einer Etage untergebracht und müssen sich nicht erst suchen, wenn sie sich treffen wollen. „Wir hätten es nicht besser treffen können“, fasst Sr. Theresita ihre Eindrücke zusammen. Sie übt weiter in ihrer zuverlässigen Art den Dienst der Sakristanin für die Gemeinschaft aus.
Auch Sr. Irma fühlt sich wohl in Kist. Natürlich vermisse sie das Kloster in Neustadt schon auch. So einfach geht Verpflanzung dann halt doch nicht, besonders nicht in einem bestimmten Alter. Aber, Sr. Irma ist eine Frohnatur, sie schließt schnell Kontakte und ihre Erfahrungen, die sie während ihrer Ordenszeit in der Seniorenarbeit gesammelt hat, kommen ihr jetzt auch zugute.
Sr. Hilke übt weiterhin das Amt der Priorin für die Gemeinschaft aus
Sr. Melanie hatte anfangs auch noch Heimweh nach Neustadt. Doch inzwischen fühlt sich die 88-Jährige so gut versorgt in der Seniorenresidenz. „Man kümmert sich hier sehr gut um uns, das gibt mir Sicherheit“, sagt sie.
Sr. Hilke lebte 55 Jahre in Neustadt. „Meine erste Versetzung ist jetzt nach Kist“, sagt sie und lacht. Sie ist froh, dass die Gemeinschaft zusammenbleibt. „Das gibt mir Halt und Kraft nach vorne zu schauen.“
Auch in der Seniorenresidenz übt Sr. Hilke weiterhin das Amt der Priorin für die Gemeinschaft von 16 Schwestern aus. Dabei wird sie unterstützt durch Irene Schneider, die als Koordinatorin und Seelsorgerin für die Schwestern in Kist da ist – sei es für Anliegen der Gemeinschaft, für persönliche Fragen sowie als Kontaktperson zum Haus und nach außen.
Irene Schneider ist als Koordinatorin und Seelsorgerin für die Schwestern in Kist da
Den Dominikanerinnen von Neustadt was sie seit vielen Jahren bereits verbunden und nun bringt sie ihre vielfältigen Berufserfahrungen als Theologin in der Seelsorge und in der persönlichen Begleitung von Menschen für die Schwestern ein. „Es ist eine schöne und vielfältige Aufgabe, die Schwestern in dieser Lebensphase zu unterstützen und zu begleiten sowie mit ihnen unterwegs zu sein und auch von ihnen zu lernen“, sagt sie.
Unter den Schwestern herrscht ein Gefühl der Freiheit, der Hoffnung, des Vertrauens und der Freude, eine Erkenntnis, dass sie als Oakford-Dominikanerinnen lebendig und Teil der großen dominikanischen Familie sind.
„Wenn wir zusammenkommen, helfen wir einander, im Glauben und in der Liebe Wir wachsen, wenn wir uns gegenseitig und unsere Mitmenschen ermutigen.“
Text Martina Schneider
Fotos Martina Schneider und Irene Schneider